Anforderungen an Zelte

Was muss das Zelt können, was ist wichtig? Hier eine kleine Zusammenstellung für die Anforderderung "Pulka-Tour in Skandinavien". Ich empfehle in jedem Fall eine Besichtigung vor dem Kauf und wenn möglich einen Aufbau mit Fausthandschuhen zu testen. Am weitesten verbreitet sind im Winter Tunnelzelte mit Innen- und Außenzelt der Hersteller Helsport und Hilleberg, andere (Fjällräven, MSR, Wechsel, Nordisk, ) habe ich bisher nur selten gesehen.

 

Fragen zur Nutzung:

  • wieviele Personen sollen bequem Platz haben - Personenanzahl
  • wieviel Platz brauche ich aufgrund von Körpergröße/Schlafsack/Isomatte in der Länge und in der Höhe - Mindestlänge/-höhe
  • soll das Zelt nur gelegentlich im Notfall oder regelmäßig genutzt werden - Platzbedarf in der Apsis zum Kochen (Größe irgendwo zwischen Kochnische und Küche) sowie Ausrüstung
  • was mache ich ab Windstärke 8 unter den zu erwartenden Schneebedingungen - ohne Zelt eingraben/Zelt eingraben/viele Heringe verwenden/Eisschrauben setzen/Eissanduhren bauen/im Eis verdübeln
  • wie wichtig ist das Gewicht
  • welche Rückfallebenen zur Übernachtung sind eingeplant - in Hütte bleiben, Schneehöhle graben, Windsack nehmen
  • soll die Pulka in der Apsis geparkt werden

K.O. - Kriterien:

  • genug Verankerungspunkte
  • alles solide und stabil - Befestigungspunkte, Nähte, Reißverschlüsse, Stoff, ...
  • ausreichende Höhe im Fußbereich - einige Zelte fallen am Fußende flach ab, hier muss darauf geachtet werden, dass ihr mit dicker Isomatte und dickem Schlafsack noch ausreichend Platz zum Innenzelt habt und die nutzbare Innenfläche groß genug ist
  • Platz in der Apsis zum Kochen mit Benzinkocher
  • gute Belüftung, auch bei eingegrabenem Zelt - mindestens an jedem Zeltende oben eine vollständig verschließbare Lüftung
  • verschließbare Belüftung - eigentlich fast immer geöffnet, aber bei Wind dosiert verschließbar
  • im Eingang so hoch, dass ihr auf der verwendeten Isomatte aufrecht sitzen könnt
  • Innenzelt ist am Außenzelt befestigt und zusammen in einem Arbeitsgang aufzubauen
  • ausreichend Platz - im Winter deutlich mehr als im Sommer, Stauraum für Gepäck 
  • keine im Innenzelt stehenden senkrechten Stangen wie sie bei den First-Zelten erforderlich sind  - sie sind meist im Weg und sollten vermieden werden
  • Strategie, um es alleine bei starkem Wind aufzubauen und sturmsicher zu verankern
  • Bauform Tunnel - hat sich durchgesetzt, in Sonderfällen werden auch Lavvus, Geodäten etc. verwendet
  • der Eingang des Außenzeltes sollte so zu öffnen sein, dass auf dem Außenzelt liegender Schnee nicht direkt in das geöffnete Innenzelt fallen kann

schön zu haben:

  • Schneelappen finde ich praktisch, es geht aber auch ohne, dann sollte das Außenzelt bis auf den Boden reichen damit man es gut zuschaufeln kann (bei Helsport und Fjällräven vorhanden, bei Hilleberg individueller Standard-Sonderwunsch)
  • zweiter Eingang - für stürmisches Wetter oder mehr als zwei Personen nützlich
  • Taschen an den Wänden für Brille, Stirnlampe, Packsäcke, Kochzubehör ...
  • Befestigungsmöglichkeiten für Zeltleuchte und Lichterkette
  • zweites Gestänge in den Gestängekanälen bei starkem Wind
  • Befestigungsmöglichkeit am Zelt für nicht benötigte Abspannleinen - auch im norwegischen fjellforum wird gerätselt, warum es nur Helsport hat
  • nahezu quadratische Grundfläche des Innenzeltes - bietet Flexibilität bei Gefälle im Gelände oder unterschiedliche Liegemöglichkeiten ab drei Personen
  • robuste, grobe Reissverschlüsse am Außenzelt

mir wichtig:

  • Zeltfarbe - rot und gelb finde ich schöner als grün
  • durchgehend große Höhe - bin selber lang und besonders bei Schneefall wird ein schräg liegendes Außenzelt leicht auf das Innenzelt und das dann auf meinen Schlafsack gedrückt
  • besonders viel Platz - war im Herbst sonst gerne mit dem Nallo 3 GT für drei Personen unterwegs, das Mehrgewicht hat mir schon im Rucksack nichts ausgemacht

weniger wichtig:

  • Höhe der Wassersäule - bei Nutzung im Winter fast egal
  • Zeltunterlage (Footprint) - brauchen wir im Winter nicht
  • Gewicht - hat bei Transport auf der Pulka eine geringe Bedeutung
  • Länge des zusammengerollten Zeltes mit eingeklapptem Gestänge - muss auf die Pulka passen
  • mitgelieferte Heringe - müssen sowieso gegen Schneeheringe ausgetauscht werden
  • Mückennetze

vermeiden:

  • Innenzelt aus leichtem Mesh - der Luftzug lässt sich nicht kontrollieren und es kann innen sehr unangenehm zugig sein
  • viel Platz zwischen Außenzelt-Unterkante und Boden - macht etwas mehr Arbeit beim Zuschaufeln
  • filigrane Reissverschlüsse am Außenzelt

 

Zelterfahrungen

Mein erstes Zelt aus dem Supermarkt musste ich nach einem Sturm auf Heimaey entsorgen, das zweite Zelt war dann ein Firstzelt von Esvo und hat mir viele Jahre gute Dienste geleistet, es war mir dann nur auf Langturen mit großem Rucksack (Bergans Alpinist 130) zu klein.

Etliche Jahre habe ich auch auf Wintertouren das Hilleberg Nallo 3 GT eingesetzt. Die Lüftung funktioniert aber nicht besonders gut und zu viert oder dritt ist es in dem Dreipersonenzelt sehr eng. Von der Idee her ist es auch eher ein Leichtgewicht- als ein Winterzelt.

Hilleberg Nallo 3 GT

Mein Zelt im ersten Wintereinsatz auf der Hardangervidda. Damit der Wind nicht unter das Außenzelt bläst ist es etwas eingegraben bzw. zugeschaufelt.

Deshalb habe ich mir im Frühjahr 2017 das Helsport Spitsbergen 4 X-trem Camp gegönnt. Im folgenden Winter 2018 in Lappland waren besonders die Schneelappen (snowflaps) nützlich, weil damit lediglich nur noch 4 Heringe notwendig waren, um das Zelt aufzubauen und auch bei starkem Schneefall einigermaßen in Form zu halten. Zu dritt hatten wir auf der Tour im Folgejahr reichlich Platz.

Helsport Spitsbergen 4 X-trem

Auf dem ersten Einsatz in Nordnorwegen. Vier Heringe haben zum Aufbau gereicht.

Für mich alleine war das Vierpersonenzelt natürlich ein Palast!


Auf- und Abbau

Das Aufbauen des Zeltes und Einrichten des Lagers dauert etwa 1 h, dazu gehören

  • Feinwahl Lagerplatz
  • Schnee festtreten
  • Zelt aufbauen
  • Kochgrube bauen
  • Eingangsbereiche freischaufeln
  • Schlafsack, Isomatte und Kochausrüstung ins Zelt bringen und vorbereiten.

Für's Aufstehen bis zum Losgehen braucht man anfangs etwa 3 h, hat man die perfekte Routine und trödelt nicht ist es in gut zwei Stunden zu schaffen:

  • Anziehen: wenn wenig Platz ist oder Raureif am Zelt geht das nur nacheinander
  • Schlafsack lüften
  • Schnee schmelzen, kochen, frühstücken
  • Zelt ausräumen
  • Zelt abbauen
  • Pulka packen.

Als Faustregel muss man 2 h vor dem geplanten Abmarsch den Kocher am Laufen haben und 1 h vorher ausschalten, dann ist alles in normalem Tempo machbar. Ist man alleine statt zu dritt (dafür gelten die genannten Zeiten) geht es morgens ungefähr eine halbe Stunde schneller.


Transport

Damit man das Zelt schnell aufbauen kann wird es nicht ganz zerlegt:

  • Die während der Tour ständig benötigten Heringe bleiben unverlierbar mit dünner Reepschnur angebunden.
  • Die Gestängebögen werden halb aus den Kanälen gezogen und in der Mitte einmal zusammengeklappt.
  • Das Zelt wird zusammengerollt, ergibt ein Gepäckstück mit ca. 2 m Länge (abhängig von der Gestängebögen) und etwa 10 cm Durchmesser.

Das Zelt kann man dann so wie es ist mit den Spanngurten auf der Pulka befestigen. Mich stört dabei aber das Geklapper der Heringe, deshalb kommt es besser in einen extra für diesen Zweck konstruierten Pulkasack, die gibt es jeweils von Helsport und Hilleberg, wobei der von Helsport länger ist.

Für die bei normalem Wetter nicht benötigten Heringe bereitet man dann auch noch passende Reepschnurstücke zum Anbinden oder Anclipsen vor.

Um den Zeltaufbau bei Wind zu erleichtern, habe ich an einer bestimmten Stelle ein Stück Reepschnur mit einem Karabiner am Zelt angebracht. Damit ist einerseits eine Identifikation z.B. des Eingangs möglich und andererseits eine Befestigung gegen Wegfliegen gegeben.


Schneeheringe

Ich habe unterschiedliche Längen im Einsatz: 25 cm - 30 cm - 50 cm:

  • Die kürzeren Heringe sind für den Boden gedacht, die Längeren für die Abspannleinen.
  • Die Heringe, die ich unbedingt brauche sind mit dünner Reepschnur am Zelt festgebunden, damit sie im Schnee nicht verloren gehen können.
  • Heringe, die ich bei aufkommendem Sturm möglicherweise zusätzlich benötige, halte ich mit bereits angeknoteter Reepschnur und kleinem Karabiner zur Verbindung verpackt bereit.
  • Die langen Heringe (50 cm) konnten bisher noch keinen wesentlichen Vorteil bieten.

Die Helsport Schneeanker ("Swiss Piranha Snow Anchor") habe ich auch mit, konnte ich aber bisher noch nicht einsetzen.  Die ebenfalls irgendwo erhältlichen Schneebeutel zur Fixierung halte ich für keinen Versuch wert. Um bei Bedarf Eissanduhren zu bohren habe ich Eisschrauben. Aber entweder hatte ich sie mit und nicht benutzt oder ich hätte sie gerne benutzt und hatte sie dann nicht mit.

Ski, Skistöcke oder andere Ausrüstungsgegenstände nehme ich normalerweise nicht zum Zeltaufbau da sie mir dann für ihren eigentlichen Zweck fehlen.


Tunnelzelte im Vergleich

In der Abbildung links sind die Grundrisse der beiden Zelte einmal gegenübergestellt. Das Helsport ist ein ordentliches Stück größer. Hinzu kommt, dass die Höhe und Breite des Innenzelts überall gleich groß ist und man sogar noch einen zweiten Eingang hat. Um die optimalen Heringe einzusetzen sind sämtliche Befestigungs- bzw. Verankerungsmöglichkeiten  dargestellt. In der Finnmark hat es gereicht, jeweils die beiden äußersten Befestigungspunkte an den beiden Apsiden mit kleinen 30 cm langen Heringen zu nutzen. Auf die Schneelappen kam dann noch ordentlich Schnee und es hat alles gehalten.

Die kleine Apsis hatte ich auf meiner Solo-Tour gar nicht benutzt, sie ist aber zusammen mit dem zweiten Eingang für eine dritte Person  recht praktisch.

Das Spitsbergen 4 wiegt ca. 6,2 kg, das Nallo 3 GT ca. 3.2 kg.

Zeltkauf

Zelte von Helsport gibt es auf der Homepage im norwegischsprachigen Outlet preisgünstig. Lässt man sich eins nach Hause schicken, kommen allerdings noch Einfuhr-Umsatzsteuer und Zoll (unverbindliche Schätzung: zusammen etwa 30 %) dazu, so dass sich dieser Versand-Kauf nicht lohnt. Wenn es sowieso zuerst in Norwegen benutzt wird, kann man es sich also unter Umständen günstiger an eine (Hotel-/Post-) Adresse in Norwegen schicken lassen.

Viele Outdoor-Läden haben im Frühjahr eine eigene Hausmesse, bei denen es oft Rabatte auf alles und Zusatzrabatte auf dort ausgestellte Zelte gibt. 

Die Preise am Gebrauchtmarkt halte ich häufig für zu hoch ("nur 25x gebraucht - dafür 10% unter UVP"), meist ist der Kauf eines Ausstellungsstücks beim örtlichen Händler besser.